Camino Mozarabe & Torres

Tag 17 und Ende

Das war es also mit dem Camino Torres. Von nun an geht es auf dem Camino Portuguese Central weiter bis nach Pontevedra und anschließend über den Camino Espiritual nach Santiago de Compostela.

Heute Morgen schlich ich mich förmlich aus der Unterkunft, da die meisten meiner Mitpilger noch tief in ihren Betten röchelten. Nur Jorge und Paula waren schon wach. Wir verabschiedeten uns mit herzlichen Umarmungen und der Hoffnung auf ein Wiedersehen in Santiago. Die beiden werde ich die nächsten Tage wirklich vermissen.

Gestern Abend waren wir noch zusammen essen, und Jorge erklärte mir die Bedeutung der zwei kleinen Anhänger, die Paula mir als Geschenk aufs Bett gelegt hatte: eine offene Hand und eine Zipfelmütze. Die offene Hand kannte ich schon, da ich sie bereits letztes Jahr von einem Pilger geschenkt bekommen hatte, aber die Zipfelmütze?

Sie steht für die Campinos, eine Reitertruppe aus der portugiesischen Region Tejo, die Bullen hütet und treibt. Sie leben die meiste Zeit bei den Tieren, bewachen und behüten sie und holen sich nur einmal pro Woche die nötigsten Vorräte aus dem Dorf. Diese Jungs gelten als stark, mutig und geschickt. Paula schenkte sie mir, weil sie meint, ich verkörpere all diese Werte. 🥲 Da sage ich doch: Danke 🙏 (Endlich sieht das mal jemand! 😂). Aber im Ernst, das hat mich Eisklumpen schon etwas berührt.

Jedenfalls schlich ich mich hinaus, kippte in der erstbesten Bar einen Kaffee und brach frohen Mutes in die Welt auf. Kurz vor der Stadtgrenze traf mich der erste Regentropfen. Pipikram, dachte ich, weiter! Heute liegen schließlich 36 Kilometer bis nach Ponte de Lima vor mir. Scheiß drauf!

Plöpp, Plöpp, Plöpp und Wusch 🌧️

🙄🫤☹️🤬

Ein schneller Blick auf die Wetter-App: Bus! Die Regenwolken standen genau über meinem Gebiet und bewegten sich keinen Millimeter. Es gab keine Chance, das noch 28 Kilometer entfernte Ziel trockenen Fußes zu erreichen. Nach einem zweiten Kaffee am Stadtrand von Prado beschloss ich, einen Bus zu suchen.

Ich fragte zwei Leute: Nummer eins konnte das Wort „Bus“ im Zusammenhang mit Ponte de Lima anscheinend nicht zuordnen. Nummer zwei war da schon weiter und erklärte mir in perfektem Englisch, wo ich die nächstgrößere Bushaltestelle finden würde.

An der Haltestelle fragte ich vorsichtshalber noch zwei Damen. Die eine stürmte sofort mit mir in den benachbarten Kiosk, befragte die Verkäuferin, stürmte wieder heraus, zeigte mir die Abfahrtspläne und suchte und fand dann sogar noch den richtigen Bus für mich. 😁

Zehn Minuten später saß ich drin und fuhr durch den Regen, der auch Stunden nach meiner Ankunft immer stärker zu werden schien. Ich vertrieb mir die Zeit und lief zur Herberge hinter der berühmten, ursprünglich von den Römern erbauten Brücke, welche sich über den Fluss Lima spannt. Natürlich war die Albergue noch zu und öffnete erst um 15 Uhr.

Hinter mir tauchte eine ältere Dame auf und fragte gehemmt: „Which Language“ ich spreche. Ich musste nicht lange überlegen, woher sie kam, und antwortete direkt: „Deutsch“.

„Puh, Gottseidank!“ war ihre Antwort. Hätte ich gewusst, was als Nächstes kommt, hätte ich wohl besser auf Suaheli geantwortet. Stattdessen kaute sie mir anderthalb Stunden lang das Ohr ab, hörte sich dabei aber am liebsten selbst reden. Mir schoss durch den Kopf: Tolle erste Begegnung nach Wochen der Einsamkeit!

Als das nicht enden wollende Gesabbel einfach nicht aufhörte, reservierte ich kurzerhand ein Zimmer über Booking und sah zu, dass ich schnellstmöglich verschwand.

Einsamkeit kann eben auch wunderschön sein. 😁

Für morgen gibt es keine Ausreden, da ich bereits in der Pilgerpause in Fontoura vorreserviert habe. Wegen des Namens und der deutschen Telefonvorwahl nehme ich an, dass die Betreiber wohl deutschstämmig sind. Ich dachte, das könnte witzig werden, und die Kilometer passen auch gut. Es wird Zeit, dass ich mal wieder in die Gänge komme. Außerdem ist die morgige Route eine schöne Strecke, die ich bereits vor zwei Jahren gelaufen bin.